Vorgeschlagener Ablauf eines gemeinsamen Gebets
Dieser Gebetsvorschlag enthält Lieder eines lateinamerikanischen Komponisten auf Spanisch und Englisch. Jeden Monat wird Musik aus einer anderen kirchlichen Tradition zum Mithören und/oder Mitsingen vorgeschlagen. Die Musik kann natürlich an die örtlichen Gegebenheiten angepasst werden, genauso wie die Gestaltung des Raums.
Gesang:
Lord, to whom would we go / Señor, a quién iremos (Cristóbal Fones SJ)
Psalm 91
Wer im Schutz des Höchsten wohnt
und ruht im Schatten des Allmächtigen,
der sagt zum Herrn: „Du bist für mich Zuflucht und Burg,
mein Gott, dem ich vertraue.“
Er rettet dich aus der Schlinge des Jägers
und aus allem Verderben.
Gott beschirmt dich mit seinen Flügeln,
unter seinen Schwingen findest du Zuflucht,
Schild und Schutz ist dir seine Treue.
Du brauchst dich vor dem Schrecken der Nacht nicht zu fürchten,
noch vor dem Pfeil, der am Tag dahinfliegt,
nicht vor der Pest, die im Finstern schleicht,
vor der Seuche, die wütet am Mittag.
Fallen auch tausend zu deiner Seite,
dir zur Rechten zehnmal tausend,
so wird es doch dich nicht treffen.
Ja, du wirst es sehen mit eigenen Augen,
wirst zuschauen, wie den Frevlern vergolten wird.
Denn der Herr ist deine Zuflucht,
du hast dir den Höchsten als Schutz erwählt.
Dir begegnet kein Unheil,
kein Unglück naht deinem Zelt.
Denn der Herr befiehlt seinen Engeln,
dich zu behüten auf all deinen Wegen.
Sie tragen dich auf ihren Händen,
damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt;
du schreitest über Löwen und Nattern,
trittst auf Löwen und Drachen.
So spricht der Herr: „Weil er mich liebt, will ich ihn retten,
ich will ihn schützen, denn er kennt meinen Namen.
Wenn er zu mir ruft, dann werde ich ihn erhören.
Ich bin bei ihm in der Not,
befreie ihn und bringe ihn zu Ehren.
Ich sättige ihn mit langem Leben
und lasse ihn schauen mein Heil.“
Lesung
Lesung aus dem Buch Exodus: Der Herr zog vor den Israeliten her, bei Tag in einer Wolkensäule, um ihnen den Weg zu zeigen, bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten. So konnten sie Tag und Nacht unterwegs sein. Die Wolkensäule wich bei Tag nicht von der Spitze des Volkes, und die Feuersäule nicht bei Nacht. (Exodus 13,21–22)
Gesang:
From Death to life (Cristóbal Fones SJ)
Gedanken zum Bibeltext
Gott geht in meiner Wüste vor mir her
Der Exodus der Israeliten ist ein grundlegendes Ereignis in der Bibel und stellt die Geburtsstunde des Volkes Israel dar: Während das Volk Gottes durch die Wüsten zog, hat Gott sich ihm zu erkennen gegeben. Er hat das Volk befreit, das Opfer von Unterdrückung und Sklaverei war; wie ein Refrain tauchen die Worte auf, die an die Taten Gottes zugunsten seines Volkes erinnern: „Mit starker Hand hat uns der Herr aus Ägypten, aus dem Haus der Knechtschaft, herausgeführt.“ Die Erzählung des Exodus verkündet somit eine gute Nachricht, die Rettung des Volkes durch Gott und die Verheißung eines neuen Landes. Der Gott des Exodus rettet und befreit.
Im Exodus tritt Gott in eindrucksvoller Weise auf. Im obigen Text ist er in Form einer Wolken- und einer Feuersäule physisch präsent: Gottes Gegenwart geht auch in meiner eigenen Wüste am Tag in einer Wolke und bei Nacht als Feuer vor mir her. Die Wolkensäule auf dem Weg durch die Wüste kann mit der Wolkensäule im „Offenbarungszelt“ in Verbindung gebracht werden, aber hier hat sie eher die Rolle einer göttlichen Führung für das Volk. Bei Tag und bei Nacht begleitet der Herr die Israeliten und geht ihnen voraus.
Der Text erinnert uns daran, dass Gott in jedem entscheidenden Moment des Auszugs aus Ägypten da war und dass das Volk ohne diese physischen Erscheinungen in der Wüste verloren gewesen wäre. Außerdem stellte sich die Wolke zwischen das fliehende Volk und das ägyptische Heer, um den Israeliten den Durchzug durch das Schilfmeer zu ermöglichen: Sie führt nicht nur, sie bietet auch Schutz.
Der Text ist auch heute noch bedeutsam, denn wir gehen in unserem Leben ebenfalls durch „Wüsten“. In jeder wichtigen Etappe stehen wir an einer Schwelle; aus einer Seinsweise gehen wir in eine andere hinüber, die uns, wie wir hoffen, befreit. Eine Schwelle ist keine zufällige Grenze, die einen Bereich von einem anderen trennt, sondern eine Grenze, die zwei verschiedene Visionen unserer menschlichen Existenz voneinander trennt. Oft wird diese Schwelle erst sichtbar, wenn sie überschritten wird. Das kann den Verlust all dessen bedeuten, was man bislang hatte. Aber es gibt kein Zurück, denn wir sind nicht mehr dieselbe Person wie die, welche die Schwelle überschritten hat: Wir sind verwandelt worden. Ich stelle mir gerne vor, dass Gott mich, wie das Volk Israel, in den Zeiten des Übergangs begleitet, d.h. von einem Teil meines Lebens in einen anderen. Natürlich zeigt sich mit Gott nicht auf so spektakuläre Weise, aber ich weiß, dass er durch den Geist, der in mir lebt, in jedem Augenblick genauso präsent ist.
Thibault Foulon
Direktor der Liga für das Lesen der Bibel in Frankreich (Ligue pour la lecture de la Bible)
Fragen zum Nachdenken
- Wie kann ich in dieser Osterzeit „eine Schwelle überschreiten“?
- Wie kann ich mich in wichtigen Momenten des Lebens von Gottes Gegenwart leiten lassen?
- Wie verändert das soeben Gesagte meinen Blick auf die Geschichte, in der Jesus den Blinden von Bethesda heilt (Markus 8,22-26)?
Erfahrungsberichte
Im „Haus der Einheit“ (Maison d’Unité) in Paris macht man sich Gedanken über die Bibelstelle „Mach den Raum deines Zeltes weit!“
Worte der ersten Christen
Ein altes Gebet um Einheit (aus einem Tischgebet der frühchristlichen „Apostellehre“, griech. „Didache“):
Wie dieses Brot, das als Weizen auf den Feldern verstreut war,
zu einem Brot geworden ist,
so möge auch deine Kirche, Herr,
von den Enden der Erde in deinem Reich zusammengeführt werden.
Denn dein ist die Herrlichkeit und die Macht durch Jesus Christus in Ewigkeit (Didache 9,4).
Für alles danken wir dir, denn du bist mächtig.
Ehre sei dir in Ewigkeit!
Gedenke, Herr, deiner Kirche,
erlöse sie von allem Bösen und führe sie zur Vollkommenheit in deiner Liebe.
Und sammle aus allen Himmelsrichtungen
die heilige Kirche in dein Reich, das du für sie bestimmt hast.
Denn dein ist die Macht und die Herrlichkeit in Ewigkeit! (Didache 10,4–5)
Gruppenarbeit: Exodus 13 veranschaulichen
Hier geht es darum, über die Symbole der Wolken- und Feuersäulen in der Bibel nachzudenken:
- Jede/r bekommt den Bibeltext ausgehändigt.
- Danach soll jede/r darüber nachdenken, was die Wolken- und die Feuersäule für die Israeliten bedeutet haben könnten und was diese Symbole für uns heute bedeuten können.
- Alle haben ein paar Minuten Zeit, um ihre Gedanken zum Text aufzuschreiben. Man kann die Säulen auch zeichnen und man kann auf die Säulen schreiben. Der Moderator kann Fragen wie diese stellen: „Was bedeutet es, von Gott geführt zu werden? Wie können wir auf Gottes Schutz und Hilfe vertrauen? Wo finden wir in dunklen Zeiten Licht?“ – Beispiele könnten sein:
- Führung: So wie die Wolke den Israeliten half, können wir Gott um Hilfe in unserem eigenen Leben bitten, indem wir im Gebet um Rat fragen oder uns von andere Menschen weiterhelfen lassen.
- Schutz: So wie das Feuer die Israeliten beschützte, können wir Wege finden, uns selbst und andere zu schützen, und darauf zu vertrauen, dass Gott immer über uns wacht. Dies kann auch physische oder emotionale Unterstützung bedeuten.
- Licht: Das Feuer brachte den Israeliten Licht; wir selbst können Licht in unser Leben bringen, indem wir nach Glück, Dankbarkeit und Kontakten suchen und andere daran teilhaben lassen.
- Gemeinschaft: Die Säulen zeigten den Israeliten, dass Gott bei ihnen war; auch wir können eine Gemeinschaft suchen, die unseren Glauben und unsere Überzeugungen teilt, um uns gemeinsam auf den Weg zu machen und Gottes Liebe und Gnade miteinander zu teilen.
- Danach kann jede und jeder, der will, seine Gedanken der Gruppe vortragen. Alle sollen sich ermutigt fühlen, über die aufkommenden Fragen zu sprechen.
- Am Schluss kann man noch einmal auf den Gedanken zurückkommen, dass die Gegenwart Gottes uns in unserem eigenen Leben begleitet.